Interessierte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik können die neue Forschungsdatenbank Nichtwohngebäude ab sofort für ihre Auswertungen nutzen. © Yo­zayo_iStockT­hink­stock
In­ter­es­sier­te aus Wirt­schaft, Wis­sen­schaft und Po­li­tik kön­nen die neue For­schungs­da­ten­bank Nicht­wohn­ge­bäu­de ab so­fort für ihre Aus­wer­tun­gen nut­zen.

Be­stand in Deutsch­land sta­tis­tisch er­fasst
Da­ten­bank schließt Wis­sens­lü­cke über Nicht­wohn­ge­bäu­de

06.05.2021 | Ak­tua­li­siert am: 15.11.2024

Vom ein­fa­chen Lager bis zum hoch­au­to­ma­ti­sier­ten In­dus­trie­ge­bäu­de: Unter dem Be­griff Nicht­wohn­ge­bäu­de sam­meln sich ver­schie­dens­te Ge­bäu­de­ar­ten. Doch wie viele davon gibt es über­haupt? In wel­chem Zu­stand sind sie? Und wie hoch ist deren En­er­gie­ver­brauch? Ant­wor­ten lie­fert ab so­fort eine neue Da­ten­bank, von der Wirt­schaft, Wis­sen­schaft und Po­li­tik pro­fi­tie­ren kön­nen.

Neu, erst­ma­lig, ein­zig­ar­tig: Diese Su­per­la­ti­ve ver­bin­det man in der Regel nicht mit tro­cke­ner Sta­tis­tik. Doch im Fall der „For­schungs­da­ten­bank Nicht­wohn­ge­bäu­de“ tref­fen sie alle zu. Die For­schen­den im Pro­jekt Da­t­aNWG haben es ge­schafft, den Be­stand an Nicht­wohn­ge­bäu­den in Deutsch­land in ein­heit­li­cher Weise und als re­prä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­be zu er­fas­sen. „Es gab bis­her keine hin­rei­chend va­li­den Daten über die Nicht­wohn­ge­bäu­de (NWG) in Deutsch­land, etwa über deren An­zahl, Größe, Bau­al­ter oder Zu­stand. Es fehlt eine amt­li­che Sta­tis­tik zu die­sen so­ge­nann­ten Struk­tur­da­ten. An­ge­sichts der mut­maß­lich gro­ßen volks­wirt­schaft­li­chen Be­deu­tung die­ses Sek­tors, ist das er­staun­lich. Die Da­ten­bank ENOB:da­t­aNWG wird zum ers­ten Mal sta­tis­tisch va­li­de An­ga­ben ma­chen kön­nen“, er­klärt der Ver­bund­ko­or­di­na­tor Mi­che­al Hör­ner vom In­sti­tut Woh­nen und Um­welt in Darm­stadt IWU (hier geht es zum kom­plet­ten In­ter­view).

Projektleiter Michael Hörner (re.) und Dr. Holger Cischinsky sind Wissenschaftler am Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt. © IWU
In einem For­schungs­kon­sor­ti­um haben sie den Be­stand an Nicht­wohn­ge­bäu­den in Deutsch­land erst­mals re­prä­sen­ta­tiv er­fasst: Pro­jekt­lei­ter Mi­cha­el Hör­ner (re.) und Dr. Hol­ger Cis­ch­in­sky sind Wis­sen­schaft­ler am Darm­städ­ter In­sti­tut Woh­nen und Um­welt.

In Deutsch­land gibt es ins­ge­samt rund 21 Mil­lio­nen Nicht­wohn­ge­bäu­de, die die Wis­sen­schafts­teams im For­schungs­pro­jekt Da­t­aNWG nun re­prä­sen­ta­tiv er­fasst haben. Mit der Da­ten­bank lässt sich unter an­de­rem nach be­heiz­ten und ge­kühl­ten Nicht­wohn­ge­bäu­den, die in vol­lem Um­fang unter das Gebäude-​Energie-Gesetz (GEG) fal­len, dif­fe­ren­zie­ren. Das GEG dient dazu, die Ein­spa­rung von En­er­gie und die Nut­zung er­neu­er­ba­rer En­er­gien zur Wärme-​ und Käl­te­er­zeu­gung in Ge­bäu­den zu re­geln. Hier­un­ter fal­len in Deutsch­land rund zwei Mil­lio­nen Nicht­wohn­ge­bäu­de.

Trotz hoher Bau­tä­tig­keit nur ge­rin­ge Mo­der­ni­sie­rungs­ra­te

Mehr als ein Drit­tel der er­fass­ten Nicht­wohn­ge­bäu­de in Deutsch­land sind Produktions-​, Werkstatt-​, Lager-​ oder Be­triebs­ge­bäu­de. Dem­ge­gen­über ste­hen so­ge­nann­te Dienst­leis­tungs­ge­bäu­de: Sie um­fas­sen etwa Büro-, Verwaltungs-​ oder Amts­ge­bäu­de (rund 12 Pro­zent) sowie Schu­len, Kin­der­ta­ges­stät­ten und sons­ti­ge Be­treu­ungs­ge­bäu­de (rund fünf Pro­zent). Bei den NWG über­wie­gen mit rund 58 Pro­zent die Alt­bau­ten, die 1978 oder frü­her, also vor der 1. Wär­me­schutz­ver­ord­nung, er­baut wur­den.

Ein ers­ter Blick auf die en­er­ge­ti­sche Qua­li­tät stimmt zu­nächst po­si­tiv: So haben 40 Pro­zent aller Au­ßen­wand­flä­chen von NWG be­reits Wär­me­dämm­schich­ten. Die­ser Wert ist fast ge­nau­so hoch wie der von Wohn­ge­bäu­den. Al­ler­dings ist dies nicht aus­rei­chend: „Die Dämm­ra­te bei den Alt­bau­ten liegt aber nur bei etwa 0,9 Pro­zent der Au­ßen­wand­flä­chen pro Jahr. Eine deut­li­che Er­hö­hung er­scheint not­wen­dig, um die Kli­ma­schutz­zie­le im Ge­bäu­de­be­reich zu er­rei­chen“, so Hör­ner. Es finde zwar ins­ge­samt eine hohe Bau­tä­tig­keit an den Au­ßen­wän­den statt. Diese wer­den an­ge­stri­chen, ver­putzt, ver­klei­det, al­ler­dings nur in ge­rin­gem Maße mit Däm­mung nach mo­der­nem Stan­dard ver­se­hen.

Schaut man hin­ter die Fas­sa­de, zeigt sich: Bei über 83 Pro­zent der Nicht­wohn­ge­bäu­de wer­den nach wie vor Heiz­kes­sel mit Brenn­stof­fen ge­nutzt, um Wärme zu er­zeu­gen. Die An­zahl von elek­tri­schen Wär­me­pum­pen im Neu­bau ist auf­fal­lend ge­ring und liegt deut­lich unter der von Wohn­ge­bäu­den. „Der En­er­gie­trä­ger­wech­sel zwi­schen 2010 und 2014, weg von fos­si­len Brenn­stof­fen, war für eine er­folg­rei­che Wär­me­wen­de un­zu­rei­chend“, so der Pro­jekt­ko­or­di­na­tor Hör­ner. Die Er­kennt­nis­se aus Da­t­aNWG kön­nen nun dazu bei­tra­gen, dies zu än­dern.

Daten hel­fen, Ent­schei­dun­gen für die Zu­kunft zu tref­fen

Die Un­ter­su­chun­gen aus Da­t­aNWG lie­fern einen rie­si­gen Da­ten­schatz. Doch wer pro­fi­tiert davon? „Die Daten wer­den für die Energie-​ und Ge­bäu­de­for­schung, für die Ein­schät­zung von Markt­chan­cen in der Bau- und Im­mo­bi­li­en­wirt­schaft be­zie­hungs­wei­se im Maschinen-​ und An­la­gen­bau und bei Ent­schei­dun­gen in Wirtschafts-​, Klimaschutz-​ und En­er­gie­po­li­tik wich­ti­ge Bei­trä­ge leis­ten“, so Hör­ner im In­ter­view.

Wie dies kon­kret aus­se­hen kann, er­klär­te Chris­ti­an Stol­te von der Deut­schen Energie-​Agentur auf der Ab­schluss­ta­gung "For­schungs­da­ten­bank Nicht­wohn­ge­bäu­de" (hier ge­lan­gen Sie zum Vi­deo­mit­schnitt der Ver­an­stal­tung sowie wei­te­ren In­for­ma­tio­nen). So kann zum Bei­spiel durch den Fokus auf Re­gio­nen und NWG-​Gebäudetypologien eine ge­ziel­te­re För­de­rung er­fol­gen. Dies kön­nen An­rei­ze für Schu­len und Hoch­schu­len zur In­stal­la­ti­on von raum­luft­tech­ni­schen (RLT) An­la­gen sein oder zur Op­ti­mie­rung von RLT-​Anlagen in Bü­ro­ge­bäu­den, Gas­tro­no­mie und Pro­duk­ti­ons­ge­bäu­den. Wei­ter­hin kön­nen auf be­stimm­te Ei­gen­tü­mer­grup­pen zu­ge­schnit­te­ne Maß­nah­men durch­ge­führt wer­den. So ist es unter an­de­rem mög­lich, nutz­ba­re Photovoltaik-​Potenziale auf Dach und Fas­sa­de zu er­mit­teln.

Neben Wirt­schaft und Wis­sen­schaft pro­fi­tiert auch die Po­li­tik von der neuen „For­schungs­da­ten­bank Nicht­wohn­ge­bäu­de“. Denn das Tool kann als Basis ge­nutzt wer­den, um Trends zu iden­ti­fi­zie­ren und Sze­na­ri­en zu ent­wi­ckeln. Eine fun­dier­te Da­ten­ba­sis kann bei po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen hilf­reich sein. Auch müs­sen die Kli­ma­schutz­zie­le ein re­gel­mä­ßi­ges Mo­ni­to­ring durch­lau­fen. Mit der neuen Da­ten­bank kann nun ge­prüft wer­den, ob der Be­stand an Nicht-​Wohngebäuden beim Kli­ma­schutz auf Kurs ist und bleibt.

Zu­griff auf die Da­ten­bank

In­ter­es­sier­te Krei­se aus Wis­sen­schaft, Wirt­schaft und Po­li­tik kön­nen ab so­fort auf die Er­geb­nis­se der Er­he­bun­gen zu­grei­fen und ta­bel­la­ri­sche Aus­wer­tun­gen er­stel­len. Dabei gibt es drei Op­tio­nen: Fern­rech­nen via Ta­bel­len­kon­fi­gu­ra­tor des In­sti­tuts für Woh­nen und Um­welt (IWU), Fern­rech­nen via R-​Skript oder über einen Zu­gang als Gast­wis­sen­schaft­le­rIn am IWU. Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie auf der Home­page des IWU. (bs)