Professorin Dr. Katharin Gapp-Schmeling im Gespräch am Rande des 3. Kongresses Energiewendebauen in Wuppertal. ©An­ke­de­sign
Pro­fes­so­rin Dr. Ka­tha­rin Gapp-​Schmeling im Ge­spräch am Rande des 3. Kon­gres­ses En­er­gie­wen­de­bau­en in Wup­per­tal.

Wär­me­wen­de in Kom­mu­nen
„Häu­fig wird die so­zi­al­kul­tu­rel­le Di­men­si­on ver­ges­sen“

12.09.2022 | Ak­tua­li­siert am: 15.11.2024

Die Wär­me­ver­sor­gung in Deutsch­land soll CO2-​ärmer wer­den. Dies kann nur ge­lin­gen, wenn En­er­gie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men und Kom­mu­nen an einem Strang zie­hen. Dazu braucht es laut Pro­fes­so­rin Ka­tha­ri­na Gapp-​Schmeling neben An­rei­zen auch feste Vor­ga­ben.

In­ter­view

Ist es ak­tu­ell mög­lich, Wärme kli­ma­scho­nend und gleich­zei­tig wirt­schaft­lich be­reit­zu­stel­len?

Ka­tha­ri­na Gapp-​Schmeling: Hier ist es na­tür­lich wich­tig, auch die Kli­ma­wan­del­fol­gen im Blick zu haben. Diese sind aus volks­wirt­schaft­li­cher Sicht viel un­wirt­schaft­li­cher als vor­beu­gen­de Kli­ma­schutz­maß­nah­men. Dies sieht man zum Bei­spiel an der Flut­ka­ta­stro­phe im Ahr­tal und den damit ver­bun­de­nen im­mensen Kos­ten. Bei den be­triebs­wirt­schaft­li­chen Wärmegestehungs-​ und Sa­nie­rungs­kos­ten hat es seit 2021 ei­ni­ge Ver­än­de­run­gen ge­ge­ben. Wir konn­ten zei­gen, dass kli­ma­scho­nen­de Lö­sun­gen lang­fris­tig auch wirt­schaft­li­cher sind, wenn man das Brenn­stoff­emis­si­ons­han­dels­ge­setz und die damit ver­bun­de­nen Kos­ten be­rück­sich­tigt. Durch die Preis­stei­ge­run­gen für fos­si­le En­er­gie­trä­ger seit Ende des Jah­res 2021 dreht sich die Wirt­schaft­lich­keit lang­fris­tig zu­guns­ten von Lö­sun­gen, die auf re­ge­ne­ra­ti­ve En­er­gien, wie So­lar­ther­mie, Geo­ther­mie, Bio­mas­se, aber auch Ab­wär­me set­zen.

Was ist hier­für er­for­der­lich?

Der Preis für Treib­haus­gas­emis­sio­nen muss an­ge­mes­sen hoch sein. Damit wer­den die Fol­ge­kos­ten fos­si­ler En­er­gie­trä­ger in­ter­na­li­siert. So­wohl wirt­schaft­lich als auch öko­lo­gisch macht es Sinn, In­ves­ti­ti­ons­zy­klen zu be­rück­sich­ti­gen. Lokal müs­sen die Po­ten­zia­le nicht nur ver­füg­bar sein, son­dern auch er­schlos­sen wer­den. Das setzt eine Zu­sam­men­ar­beit vie­ler Ak­teu­re vor­aus. Diese ist auch not­wen­dig, damit Syn­er­gien ge­schaf­fen wer­den kön­nen, was wie­der­um die Kos­ten senkt. Wir reden immer über nach­hal­ti­ge En­er­gie­ver­sor­gung. Häu­fig wird dabei die sozial-​kulturelle Di­men­si­on ver­ges­sen.

"Es geht nicht nur um So­zi­al­ver­träg­lich­keit und Be­zahl­bar­keit, die ja eher mit öko­no­mi­schen Fak­to­ren zu­sam­men­hän­gen. Wich­tig ist auch die Ak­zep­tanz vor Ort."
(Pro­fes­so­rin Ka­tha­ri­na Gapp-​Schmeling, IZES)

Sie be­schäf­ti­gen sich im vom BMWK ge­för­der­ten Pro­jekt KoWa (siehe In­fo­box) mit der Wär­me­wen­de in der kom­mu­na­len En­er­gie­ver­sor­gung. Wel­chen Bei­trag kann die En­er­gie­for­schung hier leis­ten?

In KoWa haben wir zu­kunfts­fä­hi­ge Wär­me­ver­sor­gungs­kon­zep­te für sechs Un­ter­su­chungs­ge­bie­te er­stellt.  In drei Ge­bie­ten un­ter­neh­men die Ak­teu­re vor Ort erste Um­set­zungs­schrit­te. In der Be­glei­tung der Ak­teu­re kön­nen wir nicht nur er­fah­ren, wel­che Tech­no­lo­gien funk­tio­nie­ren, son­dern auch, wel­che Ab­stim­mungs­me­cha­nis­men eta­bliert wer­den müs­sen. Wir haben alle Kon­zep­te be­züg­lich ihrer Nach­hal­tig­keit be­wer­tet. Da­durch wurde deut­lich, wel­chen Bei­trag zu den vor­her de­fi­nier­ten Zie­len und den Sus­tain­able De­ve­lo­p­ment Goals die je­wei­li­ge Kon­zep­te leis­ten und wo ge­ge­be­nen­falls noch nach­ge­bes­sert wer­den muss. In der ak­tu­el­len Phase sehen wir, wie wich­tig eine eng­ma­schi­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on vor Ort ist, um Ver­trau­en auf­zu­bau­en und die Zu­sam­men­ar­beit über Or­ga­ni­sa­ti­ons­gren­zen hin­weg zu stär­ken. Durch die wis­sen­schaft­li­che Be­glei­tung von Um­set­zungs­pro­jek­ten kön­nen wir einen wich­ti­gen Bei­trag zum Pra­xis­trans­fer leis­ten und wich­ti­ge Im­pul­se set­zen, um etwa eine ein­sei­ti­ge Ziel­op­ti­mie­rung zu ver­mei­den. Au­ßer­dem kön­nen wir Hemm­nis­se iden­ti­fi­zie­ren und Lö­sungs­va­ri­an­ten für diese Hemm­nis­se er­ar­bei­ten und er­pro­ben.

„Die eng­ma­schi­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on vor Ort leis­tet einen wich­ti­gen Bei­trag.“
(Pro­fes­so­rin Ka­tha­ri­na Gapp-​Schmeling, IZES)

Wie kön­nen kom­mu­na­le Wär­me­ver­sor­ger Ihrer Mei­nung nach bes­ser mit Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­lern zu­sam­men­ar­bei­ten?

Viele Stadt­wer­ke sind aktiv und be­grei­fen die Zu­sam­men­ar­beit mit der Wis­sen­schaft als Chan­ce, um in­no­va­ti­ve Kon­zep­te zu rea­li­sie­ren. Al­ler­dings braucht es dafür auch eine ent­spre­chen­de Ein­stel­lung und die per­so­nel­len Res­sour­cen. Bei ei­ni­gen Stadt­wer­ken haben wir er­lebt, dass die Ver­traut­heit mit neuen Tech­no­lo­gien fehlt und auch der Mut, hier in die Um­set­zung zu gehen. Hier kann die Wis­sen­schaft an­set­zen: Zum Bei­spiel indem sie di­rekt mit der Pra­xis zu­sam­men­ar­bei­tet, Best Prac­ti­ce Bei­spie­le schnell ver­öf­fent­licht und dafür sorgt, dass For­schungs­er­geb­nis­se in die Aus- und Wei­ter­bil­dung in­te­griert wer­den.

Das Pro­jekt KoWa: Wär­me­wen­de in der kom­mu­na­len En­er­gie­ver­sor­gung

In die­sem Vor­ha­ben be­glei­ten Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler kom­mu­na­le Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men, die nach­hal­ti­ge, en­er­gie­ef­fi­zi­en­te und CO2-arme Wär­me­ver­sor­gungs­sys­te­me um­set­zen möch­ten. Die Ak­ti­vi­tä­ten fin­den in un­ter­schied­lich struk­tu­rier­ten Quar­tie­ren im saar­län­di­schen Saar­lou­is, Os­na­brück, Ber­lin und Söm­mer­da (Thü­rin­gen) statt. Ge­mein­sam mit den Ak­teu­ren vor Ort ent­wi­ckelt das Ex­per­ten­team von KoWa kon­kre­te, pass­ge­naue Lö­sun­gen für die ein­zel­nen Ge­bie­te. Dazu führ­ten die For­schen­den unter an­de­rem in sechs Un­ter­su­chungs­ge­bie­ten 45 In­ter­views durch. So konn­ten sie Hemm­nis­se und Po­ten­zia­le, aber auch die In­ter­es­sen und For­de­run­gen der lo­ka­len Ak­teu­re iden­ti­fi­zie­ren.

Wel­che Hemm­nis­se gibt es aus Ihrer Sicht bei der Um­set­zung der Wär­me­wen­de vor Ort?

Un­se­re Be­fra­gun­gen (siehe In­fo­box) haben ge­zeigt, dass es vor allem or­ga­ni­sa­to­ri­sche Hemm­nis­se sind, die die re­le­van­ten Ak­teu­re ent­lang der Wert­schöp­fungs­ket­te von der Er­zeu­gung, über den Netz­be­trieb, den Ver­trieb und die Wär­me­ab­nah­me aus­brem­sen. Dabei geht es zum Bei­spiel um die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen den ver­schie­de­nen ver­ant­wort­li­chen Stel­len. Um hier Hemm­nis­se ab­zu­bau­en, braucht es in der Kom­mu­ne je­man­den, der ver­ant­wort­lich für die Um­set­zung ist, das ent­spre­chen­de Know-​how be­sitzt und letzt­end­lich auch Lust auf Wär­me­wen­de hat. Es müs­sen be­wusst per­so­nel­le Res­sour­cen ge­schaf­fen wer­den. Zu­sätz­lich hel­fen klare Ziel­vor­ga­ben und Stra­te­gien. Dies mo­ti­viert alle Be­tei­lig­ten.

Auf Frei­wil­lig­keit zu set­zen reicht also nicht aus?

Klare Ver­ein­ba­run­gen sind sehr hilf­reich. Be­son­ders wich­tig sind hier die Kom­mu­nen als Ei­gen­tü­mer der Stadt­wer­ke. Sie kön­nen Vor­ga­ben und Ziel­stel­lun­gen schaf­fen, damit Stadt­wer­ke einen Bei­trag leis­ten kön­nen. Ein Bei­spiel ist das Ber­li­ner Energie-​ und Kli­ma­schutz­pro­gramm.

Das Land Ber­lin hat mit vie­len Ber­li­ner Un­ter­neh­men Kli­ma­schutz­ver­ein­ba­run­gen ab­ge­schlos­sen. Den kom­mu­na­len Un­ter­neh­men wur­den klare Ziel­vor­ga­ben bei der Re­duk­ti­on von Treib­haus­gas­emis­sio­nen bis 2030 oder 2050 ge­setzt. Dies löst einen ge­wis­sen Druck bei den Un­ter­neh­men aus, auch weil diese wei­ter­hin an der Ko­fi­nan­zie­rung für be­stimm­te Pro­jek­te vom Land Ber­lin in­ter­es­siert sind.

ewb.de: Wel­che An­rei­ze soll­ten zu­künf­tig ge­schaf­fen wer­den?

Wir brau­chen hier einen Mix aus ver­schie­de­nen In­stru­men­ten. Zum einen eher di­rekt wir­ken­de In­stru­men­te wie Min­dest­vor­ga­ben für er­neu­er­ba­re En­er­gien im Ge­bäu­de­be­reich, Wär­me­schutz­stan­dards, Sa­nie­rungs­pflich­ten und Ver­bo­te fos­si­ler Heiz­sys­te­me im Neu­bau. Dann gibt es in­di­rek­te In­stru­men­te wie eine feste Stel­le vor Ort für Kli­ma­schutz­be­auf­trag­te und In­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen, Be­richts­pflich­ten oder die Zu­sam­men­ar­beit mit der For­schung. Auf öko­no­mi­scher Ebene kön­nen Ge­set­ze wie das Brenn­stoff­emis­si­ons­han­dels­ge­setz und För­der­maß­nah­men un­ter­stüt­zen. Hinzu kom­men pla­ne­ri­sche In­stru­men­te, wie die kom­mu­na­le Wär­me­pla­nung und ver­pflich­ten­de Trans­for­ma­ti­ons­plä­ne.

Das In­ter­view führ­te Bir­git Schnei­der, Wis­sen­schafts­jour­na­lis­tin beim Pro­jekt­trä­ger Jü­lich, For­schungs­zen­trum Jü­lich GmbH, am Rande des 3. Kon­gres­ses En­er­gie­wen­de­bau­en.